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Arbeitsmarktsituation

Energiewende ohne Fachkräfte? Die Arbeitsmarktsituation in der Solarbranche

Die regierende Ampelkoalition hat große Pläne: Bis 2030, so besagt der Koalitionsvertrag, soll es in Deutschland etwa 200 Gigawatt Photovoltaikanlagen geben. Um das beim Pariser Klimaabkommen vereinbarte sogenannte „1,5-Grad-Ziel“ einzuhalten, ist das eigentlich sogar viel zu wenig. Es muss also viel passieren auf dem Bereich der Solarenergie. Doch Verbände und Branchenvertreter sehen ein Problem, welches dazu in der Lage wäre, die ganze Energiewende zum Scheitern zu verurteilen, und das dafür politisch erstaunlich wenig beachtet wird: Die Tatsache, dass für den Ausbau von Photovoltaikanlagen (und anderen wichtigen Elementen der Energiewende) viel zu wenig Fachkräfte zur Verfügung stehen.

Fehlende Fachkräfte in der Solarbranche: Die Warnungen der Branchenvertreter

Während es vor 20 Jahren weder Studiengänge, noch Ausbildungen im Bereich der Erneuerbaren Energien gab, weswegen die Solarbranche schon damals einen Fachkräftemangel befürchtet hatte, hat sich hier inzwischen viel getan. Mehrere Hochschulen bieten nun Studiengänge wie „Regenerative Energien“ oder „Erneuerbare Energien“ an und es gibt Aus- und Weiterbildungen zu Berufen wie Fachagrarwirt:in für erneuerbare Energien/Solartechnik oder Technische:r Assistent:in für regenerative Energien.

Und dennoch sind die Prognosen problematisch: Benedikt Fischer, Dozent für Regenerative Energien an der HTW Berlin, sagt in einem Gastbeitrag im PV-Magazin einen Fachkräftemangel von etwa 100.000 Menschen für die energetische Sanierung von Häusern voraus. Im Wintersemester 2021/2022 seien an der HTW Berlin die Anmeldezahlen im Studiengang Regenerative Energien um fast die Hälfte eingebrochen, in anderen Hochschulen sähe die Situation ähnlich aus, und auch viele Solarbetriebe befänden sich in einer desolaten Lage: Sie bekommen mehr Aufträge als sie stemmen können, doch Arbeitskräfte mit Hochschulabschluss oder abgeschlossener Handwerkerausbildung bekommen sie nicht.

Der Autor und Dozent fordert eine politische Debatte zu diesem Thema, weil die Energiewende ansonsten ernsthaft in Gefahr sei. Bei der Politik müsse ankommen, dass die Sicherung von Fachkräften eine entscheidende Aufgabe auf dem Weg hin zur Energiewende sei.

Ganz ähnlich sehen das in Verbänden zusammengeschlossene Branchenvertreter: Der Landesverband Solarenergie Rheinland-Pfalz und der Verband für Wirtschaft und Umwelt empfehlen dringend, noch dieses Jahr Arbeitsmarktkonferenzen einzuberufen, um den wachsenden Problemen – konkret den langen Wartezeiten bis zur Umsetzung von Projekten aufgrund von Personalmangel – entgegenzutreten. Der Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) fürchtet einen Mangel von etwa 100.000 Elektroingenieuren in den nächsten zehn Jahren, die aber für die Solarbranche ebenfalls unverzichtbar sind.

Lösungsansätze zur Beseitigung des Fachkräftemangels in der Solarbranche

Die Branchenvertreter, die sich mit dem Problem des Fachkräftemangels beschäftigen, beschränken sich nicht darauf, die Politik und Gesellschaft vor den Konsequenzen zu warnen. Sie bieten auch viele verschiedene Lösungsansätze. Umsetzen müssen diese die Politik und die Gesellschaft.

Attraktivere Gestaltung der solartechnischen/handwerklichen Berufe

Menschen, die in der Photovoltaikbranche arbeiten, tun einen wichtigen Dienst an der Gesellschaft: Sie vollziehen die dringend benötigte Energiewende. Dennoch sind die Arbeitsbedingungen häufig unattraktiv, besonders dann, wenn eine Fachkraft keinen akademischen Abschluss hat, sondern eine technische Berufsausbildung.

Damit wieder mehr Menschen sich dafür entscheiden, eine (elektro-)handwerkliche Laufbahn einzuschlagen, müssen die Berufe attraktiver werden: Flexiblere Arbeitszeitgestaltungen, die in anderen Berufen längst Alltag sind, sind überfällig, ebenso wie gesamtgesellschaftliche Anerkennung für die unabdingbaren Berufe. Handwerker-Berufe haben in den letzten Jahren an gesellschaftlichem Ansehen verloren, weshalb viele junge Menschen lieber studieren gehen, als eine handwerkliche Ausbildung zu machen. Das Handwerk muss generell – über alle Branchen hinweg – eine deutliche Wertsteigerung erfahren.

Rekrutierung von Personengruppen, die bislang vernachlässigt werden

Es gibt Personengruppen mit Potenzial, die bislang zu wenig rekrutiert werden. Ein gutes Beispiel dafür sind Frauen, die in der Solartechnik – vor allem unter den Ingenieur:innen und Handwerker:innen – kaum vertreten sind. Eine gezielte Kampagne könnte dafür sorgen, dass sich mehr Frauen für einen Beruf in der Photovoltaikbranche entscheiden.

Ebenso müssen die Bedingungen für die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte verbessert werden. Außerdem sind ältere Menschen wertvolle Fachkräfte mit viel Erfahrung, deren Beschäftigungsmöglichkeiten verbessert werden müssen, zum Beispiel durch mehr Teilzeitstellen, weil Vollzeitstellen häufig gesundheitlich nicht mehr zu stemmen sind.

Umschulung von Fachkräften aus der alten Energieindustrie

Der Atom-, Gas- und Kohleausstieg ist im Gange. Die Menschen, die in diesen Branchen arbeiten oder gearbeitet haben, sind Fachkräfte mit wertvollen Fähigkeiten und Grundkenntnissen, die für die Photovoltaikbranche angeworben werden sollten. Umschulungen vermitteln ihnen das nötige Fachwissen.

Verbesserung der naturwissenschaftlichen und mathematischen Ausbildung an Schulen

Jugendliche müssen für technische Berufe mehr begeistert werden. Das geht sicherlich durch gezielte Kampagnen, aber vor allem durch die Verbesserung der naturwissenschaftlichen und mathematischen Ausbildung in den Schulen. Junge Menschen, die die Naturwissenschaften und die Mathematik sowie deren Wert für die Gesellschaft und sie selbst grundlegend begreifen und verstehen, „wofür“ sie etwas erlernen, lassen sich leichter mitnehmen als Schüler:innen, die naturwissenschaftlichen und mathematischen Schulstoff nur auswendig lernen.

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